News Dr. Malte Mienert

Gute Erzieherin macht sich überflüssig

Die große Anzahl an Angeboten in Kindertagesstätten macht Kinder „langweilig". Sie verlernten dadurch systematisch das Spielen. Diese Meinung vertrat am Dienstag der Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Malte Mienert im Kreishaus. Wenn Kinder sich heute nicht mehr selbst beschäftigen könnten, sei das selbst verschuldet, sagte der an der Universität Kerkrade (Niederlande) für Frühkindliche Bildung zuständige Pädagoge. Er forderte die rund 140 Teilnehmer der 16. Fachtagung für Mitarbeiterinnen in Kindergärten zudem auf, ihre Rollen neu zu überdenken und zu hinterfragen.

Die von der Volkshochschule Cloppenburg organisierte Fachtagung hatte in diesem Jahr das Thema „Selbstbildungsprozesse von Kindern und die Rollen der Erzieherinnen" zum Inhalt. Dazu wurden am Nachmittag diverse Workshops angeboten.

Eine Erzieherin sei kein „Gemischtwarenladen", der für alles zuständig sei, forderte Mienert im Hauptvortrag den Mut, auch mal Nein zu sagen. Stattdessen müsse sich die Erzieherin auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren: nämlich vor allem für die Kinder Bindungs- und Kontaktperson zu sein, ihnen eine sichere Basis zu geben, damit sie sich entwickeln könnten. Von der „Fachpädagogin für kindliches Lernen" erwartet Mienert mehr Selbstbewusstsein, sich nicht von jedem Laien in die Arbeit hereinreden zu lassen. Die Erzieherin sei heute auch Beobachterin, Dokumentarin und Erwachsenenbildnerin. Nur, wenn sie all diese Rollen erfüllt habe, bleibe Zeit für die „Basteltante" oder „Animateurin". Sommerfeste, Karnevalsparty, Sportveranstaltungen - all das bereite Stress, bei dem diese ursprünglichen Aufgaben zu kurz kämen.

Die gute Erzieherin sei diejenige, die Schritt für Schritt immer weniger gebraucht werde und sich selber überflüssig mache, so Mienert. Die schlechte Erzieherin mache das Kind von sich abhängig.

Kindern müsse in der Tagesstätte die Chance gegeben werden, neugierig zu bleiben und die Welt zu entdecken. Und Konsequenzen aus ihrem Handeln selbst zu tragen. Der Psychologe forderte die Pädagogen auf, in Konfliktsituationen ruhig mal eine Minute länger zu warten und so den Kindern die Chance zu geben, selbst Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dabei sollten sie aber nicht alleine gelassen werden. Eltern sei notwendig zu vermitteln, wo der Individualität in der Gruppe Grenzen gesetzt seien.

(NWZ, 29.02.2012, Reiner Kramer)

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